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Eine doppelte Gefahr

Covid-19 und die Zunahme der häuslichen Gewalt.

Da sich das Coronavirus rasch auf der ganzen Welt ausbreitet, ist die Quarantäne für viele Menschen zur "neuen Normalität" geworden, und die normalen Lebensregeln haben sich geändert. Erfahren Sie, wie dies zu einer Gefahrenwelle geführt hat, die so tiefgreifend ist wie das Virus: die häusliche Gewalt.

Lorine, Mitglied des Nyarongi-Frauennetzwerks, die sich für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen in Kenia einsetzt

Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie berichten Frauenrechtlerinnen in China, Frankreich, Kenia, Südafrika, Spanien, der Türkei, Großbritannien, der Ukraine und den Vereinigten Staaten von einer Zunahme der Anrufe bei Helplines und entsprechenden Einrichtungen gegen häusliche Gewalt.

Und dies, obwohl es für viele Frauen - mit dem Gewalttäter unter einem Dach - derzeit noch schwieriger ist, ungestört zu telefonieren.

Weltweit wissen wir, dass eine von drei Frauen im Laufe ihres Lebens Gewalt erleidet, sehr oft durch die Hand eines männlichen Partners oder durch ein nahes Familienmitglied. In jeder humanitären Krise, wie z.B. der Ebola-Epidemie in Westafrika oder dem Erdbeben in Haiti 2010, hat die Gewalt gegen Frauen und Mädchen zugenommen.

Aber am wichtigsten ist, dass häusliche Gewalt nicht durch Covid oder einen gesundheitlichen Notstand verursacht wird.

Die Hauptursache für Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist die Ungleichheit der Geschlechter: die Ungleichheit der Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern, und die Systeme und Normen, die diese fortbestehen lassen.

Diese beträchtlichen Ungleichheiten, die bereits in allen Gesellschaften tief verwurzelt und die treibende Kraft hinter der Gewalt sind, werden noch verschärft, wenn Frauen mit gewalttätigen Partnern oder Familienmitgliedern zusammengesperrt sind.

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Wie die soziale Distanzierung Frauen der Gefahr des Missbrauchs aussetzt

Die Coronavirus-Pandemie verursacht bei vielen Frauen einen Abbruch ihrer Kontakte in die Gesellschaft.

Eine Frau hat oft Freunde, Kollegen und Nachbarn, die inoffiziell ihre Sicherheit im Auge behalten und als erste Anlaufstelle in einer Krisensituation fungieren (wenn Sie schon einmal Nachrichten an Freunde geschickt haben, um sie wissen zu lassen, dass Sie nach einer durchzechten Nacht sicher zu Hause angekommen sind, dann haben Sie auch diese Netzwerke)

Wenn Frauen also das Haus nicht verlassen können und ein striktes "social distancing" praktizieren müssen, beginnen diese informellen Netzwerke zu zerfallen.

Für eine Frau, die eine gefährliche und offensive Situation überwinden muss, können Regeln, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken, sie daran hindern, dies zu tun.

Feministinnen haben diese Situationen mehrfach dokumentiert. Es gibt Materialien, wissenschaftliche Artikel, Blogs und Dissertationen über die Zusammenhänge zwischen Krisen und Gewalt gegen Frauen und Mädchen.

Die überlebenden Frauen haben, oft zu hohen persönlichen Lasten, über ihre Erfahrungen berichtet und Kampagnen organisiert, in denen sie mehr Schutz, bessere Dienstleistungen und mehr Investitionen ihrer Regierung in Frauenrechte forderten.

Warum sollten Regierungen Frauen und Mädchen in dieser Krise Priorität einräumen?

Die Arbeit von ActionAid zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen war noch nie so wichtig wie heute.

Gemeinsam mit Frauenrechtsaktivisten und lokalen Partnern fordern wir die Regierungen auf, mehr zu tun, um Frauen und Mädchen in ihren Maßnahmen gegen Covid-19 eine höhere Priorität einzuräumen.

Lakshmi Subramani, Nationaler Direktor von ActionAid Liberia, berichtet uns:

"Vergewaltigung und andere Formen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt nehmen während Epidemien zu. Frauen müssen in der Lage sein, diese Fälle während der Pandemie zu melden, und es müssen Mittel zur Unterstützung überlebender Frauen zur Verfügung stehen.

Wir fordern die Regierung auf, dass der Anspruch auf Zugang zur Justiz und der Schutz von Frauen Schlüsselelemente der nationalen Maßnahmenpläne sind."

Die Reaktion auf Covid-19 und die zunehmende Gewalt gegen Frauen und Mädchen während der Quarantänezeiten erfordert globale Anstrengungen und nationale Maßnahmen, die auf den Erfahrungen von Frauenrechtsorganisationen aufbauen, die sich seit langem für die Bekämpfung von Gewalt einsetzen.

Die Maßnahmen müssen sich vorrangig um soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität und Menschenrechtsverpflichtungen drehen.

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Warum kann weibliche Führungsstärke einen Unterschied machen?

ActionAid unterstützt lokale, von Frauen durchgeführte Aktionen derjenigen, die die Herausforderungen wirklich verstehen, mit denen isoliert lebende Frauen konfrontiert sind, und die diese Frauen erreichen können, die auf eine Art und Weise von Gewalt betroffen sind, die nationale oder internationale Akteure oft nicht in der Lage sind, zu finden.

In Liberia kam es während der Ebola-Krise zu einem dramatischen Anstieg der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, da die Polizei nicht in der Lage war, zu reagieren, die Unterstützungsleistungen reduziert wurden und die Überlebenden keinen Zugang zur Justiz hatten.

ActionAid nutzt seine Erfahrung, um über sein Netzwerk von lokalen Partnern, darunter Frauenrechtsorganisationen und Entscheidungsträger in ländlichen Gebieten, Zugang zu schwer zugänglichen Gemeinden zu erhalten, um Ratschläge zur Gesundheitsfürsorge sowie Informationen, was im Falle häuslicher Gewalt zu tun ist, zu verteilen. Soziale Medien und virtuelle Treffen werden zur Mobilisierung von Gemeinschaften und zur Sensibilisierungsarbeit genutzt.

In den Rohingya-Flüchtlingslagern in Cox Bazar, Bangladesch, bieten die frauenfreundlichen Räume von ActionAid wichtige Dienste für Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden.

Freiwillige gehen von Tür zu Tür (unter Wahrung der sozialen Distanz), um das Bewusstsein für die Gefahren von Covid-19 zu schärfen und sicherzustellen, dass die Frauen wissen, dass die speziell für ActionAid-Frauen vorgesehenen Räume ein sicherer Ort sind.

Und im Libanon macht sich ActionAid Sorgen um die Sicherheit der Frauen und fordert einen größeren Schutz.

Wie Aroub Alkhateeb, Grants & Compliance Manager bei ActionAid in der arabischen Region, erklärt:

"Für die vielen Tausend Frauen im Libanon, die sich in ihren eigenen vier Wänden nicht sicher fühlen, ist diese "selbst auferlegte Ausgangssperre" eine große Herausforderung.

Die wachsenden Spannungen in der Familie aufgrund der langen Isolationsdauer sowie Stress und Ängste im Zusammenhang mit der Pandemie erhöhen das Risiko häuslicher Gewalt.

Gleichzeitig werden diese besonders schutzbedürftigen Frauen wahrscheinlich Schwierigkeiten beim Zugang zur Unterstützung haben, auf die sie Anspruch haben, und zwar aufgrund von Faktoren wie der gestiegenen Nachfrage, Mobilitätseinschränkungen und Zeitmangel aufgrund von Kinderbetreuungspflichten."

Covid-19 übt zusätzlichen Druck auf Frauen aus

Frauen und Mädchen, die in Armutsverhältnissen leben, sind nicht nur einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt, sondern auch stärker von Covid-19 betroffen.

Frauen leisten dreimal mehr unbezahlte Pflegearbeit als Männer, einschließlich der Pflege von Kranken und älteren Menschen. Dadurch sind sie dem Virus besonders ausgesetzt.

Schulschließungen erhöhen die Pflegelast für Mütter weiter, indem sie zusätzliche Lehr- und Betreuungsangebote für ihre bereits ausgelasteten Tage einführen.

Und in den Entwicklungsländern arbeiten mehr als zwei Drittel der Frauen in der nicht angemeldeten Wirtschaft, ohne die Möglichkeit auf krankheitsbedingte Abwesenheit oder Arbeitslosenunterstützung zu haben. Da immer mehr Arbeitnehmer aufgefordert werden, zu Hause zu bleiben, sinken die Familieneinkommen und der Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen dramatisch, so dass die Menschen ohne Nahrungsmittel bleiben.

Durch ihre Rollen zu Hause und in der Gemeinschaft stehen Frauen bereits an vorderster Front, wenn es darum geht, auf Covid-19 und den Höchststand der häuslichen Gewalt zu reagieren.

Frauenrechtsorganisationen und -aktivistinnen, die in lokalen Gemeinschaften mit langjährigen und vertrauensvollen Beziehungen verwurzelt sind, sind am besten in der Lage, lebensrettende Dienste zu erkennen, zu entwickeln und anzubieten.

Doch unabhängig von der Situation, in der sich Frauen derzeit befinden, haben sie das Grundrecht, frei von Gewalt zu leben.

Diese Krise stellt zwar eine enorme Herausforderung dar, kann aber auch Chancen der Veränderungen bieten, da sie versteckte Ungleichheiten aufdeckt und eine Möglichkeit für einen "besseren Wiederaufbau" schafft.

Es wird großer Anstrengungen bedürfen, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu korrigieren und Einstellungen und Verhaltensweisen zu ändern, um sicherzustellen, dass alle Frauen in Sicherheit sind.

Aber diese große Anstrengung war noch nie so notwendig wie heute.

 

WAS KÖNNEN SIE TUN?

Teilen Sie diese Nachrichten in sozialen Medien, helfen Sie uns, das Bewusstsein für diese Krise, die Millionen von Menschen in der südlichen Hemisphäre betrifft, dringend zu sensibilisieren und spenden Sie, um unsere Bekämpfung der Pandemie zu unterstützen. Vielen Dank!

Verfasserin: Lee Webster - ActionAid UK

Bildnachweis: Karin Schermbrücker/ActionAid; Md. Sariful Islam/ActionAid; Rushdi Saraj/ActionAid

ActionAid

3 June 2020